Burghard Freiherr von Schorlemer-Alst
Wer war Burghard von Schorlemer-Alst? Die LVHS Freckenhorst hat im Jahr 2025 Herrn Professor Dr. Oliver Blaschke, Professor für Neuere und Neueste Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Universität Münster, um eine kurze Würdigung von Schorlemer-Alst gebeten. Wir danken Herrn Professor Dr. Blaschke für seinen nachfolgenden Text.
Burghard von Schorlemer-Alst
Schorlemer-Alst (10. 10. 1825 – 17. 3. 1895) stammte aus einer alten westfälischen Adelsfamilie. Als Unterleutnant half er 1849 bei der Niederschlagung der spätrevolutionären Aufstände in der Pfalz und in Baden. 1852 erwarb er Gut Alst bei Burgsteinfurt. Im Nachbarort Wettringen schuf der Gutsbesitzer 1862 einen Bauernverein. Mehrere nach diesem Vorbild gegründete Bauernvereine schlossen sich 1871 zum Westfälischen Bauernverein (Mitglieder 1879: 14.000) zusammen mit Sitz in Münster. Wie die katholische Zentrumspartei offen für Protestanten, durften im Gegensatz zu ihr nur Christen (nicht Juden) Mitglied in ihm werden. Geleitet wurde der de facto katholische Verein von Schorlemer-Alst bis zu seinem Tod.
Als Mitgründer und führender Politiker des 1870 wieder erstandenen Zentrums vertrat Schorlemer Alst ihren streng konservativen Flügel 1870 bis 1889 im Preußischen Abgeordnetenhauses, 1870/71 sowie 1874 bis 1885 im Reichstag und zuletzt seit 1891 im Preußischen Herrenhaus.
Er agierte als glühender Kämpfer gegen den Kulturkampf (1871-1887), als landwirtschaftlicher Interessenvertreter und für die Selbsthilfe von Bauern, etwa durch die Einrichtung von Hagel- und Feuerversicherungen sowie Kreditbanken. Getrieben war er von der Idee des “jüdischen Wucherers”. Deshalb galt er Zeitgenossen nicht nur als “Westfälischer Bauernkönig”, sondern auch als “Judenfresser”. Im Herrenhaus gab er rückblickend selber zu, “daß ich namentlich mein ganzes Leben lang die vielen Ausschreitungen, die die Juden sich im geschäftlichen Verkehr, im Handel und sonst [der Presse] zu Schulden kommen lassen, aufs Energischste bekämpft habe.” Trotzdem lehnte er die antisemitische Bewegung ab. “Auch wenn man die Emanzipation der Juden als einen Fehler betrachtet”, könne man sie ihnen nicht mehr entziehen. “Es könnte ja angenehmer sein, wenn man sie [die Juden] nicht hätte.” Heiterkeit. Nur: Wie wolle man sie alle ”hinausbringen”? Das sei praktisch nicht umsetzbar (22. 3. 1893). Sein Sohn, Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser, driftete vollends in den National- und Rechtskatholizismus ab.
Blaschke, Olaf, Katholizismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich, Göttingen 1997.
Morsey, Rudolf, "Schorlemer-Alst, Burghard Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 479-480, online: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116919531.html#ndbcontent.
Olaf Blaschke