“Zu den Eigentümlichkeiten unserer Zeit gehört das Massenreisen. Sonst reisten bevorzugte Individuen, jetzt reist jeder und jede. [...] Der moderne Mensch, angestrengter wie er wird, bedarf auch größerer Erholung. Findet er sie?” - Ob Sie es glauben oder nicht: Niedergeschrieben wurden diese Sätze bereits im Jahre 1873, in einer “Plauderei”, so Theodor Fontane, über das Reisen als damals sich abzeichnendes Massenphänomen.
Fontanes Essay Modernes Reisen bildet den Auftakt eines Erzählungsbandes, der schließlich 1894 unter dem mehrdeutigen Titel Von vor und nach der Reise erschienen ist. Er enthält dreizehn kleine Geschichten, scheinbar mit leichter Hand verfasst, in Wahrheit jedoch überaus kunstvoll komponiert, in denen die Figuren gerade unterwegs sind, die nächste Reise planen oder soeben hinter sich haben - eben: von, vor und nach der Reise. Hier befindet man sich in Bad Kissingen, dort ist man gerade aus Ilmenau im Thüringer Wald zurückgekehrt; hier plagen sich Eheleute herum mit der alles beherrschenden Frage Wohin?; dort entdeckt man auf Streifzügen das heimische Berlin als neuen, unvertrauten Ort.
Und wir? Uns Reiseerfahrenen bietet sich die Möglichkeit, mit diesem Erzählungsband einen weitgehend unbekannten Theodor Fontane (neu) zu entdecken. Erhältlich ist Von vor und nach der Reise in vorzüglicher Ausstattung als 19. Band der Großen Brandenburger Ausgabe des Erzählwerks von Theodor Fontane.
Referent:
- Dr. Oliver Sill, Münster
1957 geboren. Nach dem Abitur Studium der Germanistik, Geschichte und Erziehungswissenschaften in Münster. 1982 Erstes Staatsexamen; 1990 Promotion zum Dr. phil.; 2000 Habilitation an der Universität Duisburg. Zahlreiche Veröffentlichungen insbesondere zur modernen Literatur. Dozent an der Universität Münster und an der Volkshochschule Münster